Theorie und Praxis der Zusammenarbeit
Im ersten Heft der Publikationsserie von You(th)@School wurde ein Interview mit der Schulleitung des Lycée Technique pour professions éducatives et sociales zum Thema „Mehrwert von Jugendarbeit in der Schule“ geführt. Die Schulleiter betonten insbesondere die Wichtigkeit, die Mitglieder der SSE in die verschiedenen Schulstrukturen einzubinden:
Welche wichtigen Erkenntnisse haben sie bisher gewonnen, und was würden sie anderen Schulen für eine erfolgreiche Umsetzung raten?
Der SSE muss gut in die verschiedenen Schulstrukturen integriert werden und Teil der Schulphilosophie und des Schulkonzeptes sein. (…) Eine gute und regelmäßige Kommunikation zwischen der Direktion und dem SSE ist demnach sehr wichtig. (…) Dazu gehört zum Beispiel die Beteiligung des SSE an der schulischen Entwicklung bzw. als Mitglied in der Cellule de Développement Scolaire sowie im Comité de la Conférence du Lycée, aber auch die aktive Mitgestaltung bestimmter Anlässe wie z. B. die gemeinsame Planung der Portes Ouvertes der Schule. Durch eine solche transversale Einbindung wird verhindert, dass der SSE ein Fremdkörper bleibt, der nur bei „Problemen“ und „Krisen“ eingesetzt wird, denn die Mitglieder des SSE sollen eben nicht eine reine „Feuerwehrfunktion“ einnehmen.
Interview mit Henry R. Welschbillig, Directeur, und Luc Schwartz, Directeur adjoint in Heft 1 von “You(th)@School – Jugendarbeit und Schule”, S.21.
Wie weit werden diese Empfehlungen tatsächlich bereits in der Praxis umgesetzt? Befragungen von verschiedenen Mitgliedern der SSE spiegeln sehr unterschiedliche Situationen wider.
A) Die konkreten Aufgaben
Die konkreten Aufgaben bestätigen größtenteils das Bild der im Interview erwähnten „Feuerwehrfunktion“ und des „Krisenmanagers“. Sie beinhalten zum Beispiel:
- die Planung und Umsetzung außerschulischer Aktivitäten
- die Begleitung der Schülervertretung
- Präventionsarbeit (Cybermobbing, Gewalt, Alkohol, Drogen, Schwangerschaftsverhütung, …)
- Hausaufgabenbetreuung und -hilfe
- Krankenstation
- Teambuilding
- Peermediation
- Ausflüge
- Zusammenarbeit mit externen Partnern
- Timeout
- Mosaikklasse
- Fehlstundenersatz
- Pausenaufsicht
- Jugendtreff
- Cellule Covid-19
Dies umfasst größtenteils die vorgesehenen Aufgabenfelder der SSE. Allerdings besteht das Risiko, dass bei der Vielzahl an Aufgaben und Aktivitäten der Fokus auf das eigentliche Ziel der Jugendarbeit verloren geht: Ansprechpartner und Vertrauensperson für den Jugendlichen sein. Außerdem sind nicht alle Aufgaben automatisch immer miteinander vereinbar, denn die Rolle des „Aufpassers“ oder „Krisenmanagers“ stimmt nicht immer mit den Prinzipien der Jugendarbeit überein.
B) Gremien
Auch hinsichtlich der Vertretung in den Gremien ist die Lage sehr unterschiedlich. Einige SSE sind in der Tat in sämtlichen wichtigen Schulgremien vertreten, wie beispielsweise im Comité de la conférence du lycée oder der Cellule de Développement scolaire. Andere wiederum wirken nur in Gremien aktiv mit, die direkt mit spezifischen Aufgaben zusammenhängen, so in der Cellule d’inclusion scolaire, der Cellule de prévention en cas de décès/suicide oder der Cellule d’orientation. Andere wiederum sind ausschließlich in einigen projektgebundenen Arbeitsgruppen wie in der peer mediation, im Fairtrade Comité und im Projet d’établissement.
Anhand dieser Beispiele wird besonders gut sichtbar, wie sehr die jeweilige Einbindung der SSE und die ihnen zugeschriebenen Rollen in den Schulen voneinander abweichen können. Eine gelungene Integration in die Schulgemeinschaft benötigt aber eben gerade die Teilnahme der SSE an allen wichtigen Gremien.
Hier sei noch hervorgehoben, dass der Comité de la conférence du lycée sowie die Cellule de Développement scolaire allgemein als partizipative Schulentwicklungsgremien genutzt werden sollten, in denen sich, neben den SSE, auch alle anderen Akteure der Schulgemeinschaft mitteilen und sich beteiligen können.
C) Kommunikation
Eine optimale interne Kommunikation ist die Grundvoraussetzung, damit die noch relativ jungen SSE ihren Platz in der Schule finden. Im Rahmen der bereits erwähnten Befragungen haben die Mitglieder der SSE, welche an diesen teilgenommen haben, sich konkret zum Thema Kommunikation geäußert. Besonders auffällig sind die Aussagen in Bezug auf die interne Organisation der unterschiedlichen Services sowie auf die Rollen- und Arbeitsverteilung, wie im Folgenden dargestellt wird:
- Die SSE sollten nicht für die Schulverwaltungsarbeit zuständig sein.
- Der/Die Koordinatorin des SePAS (in den meisten Fällen der/die Psychologin) sollten ebenfalls die SSE bei der Schulleitung vertreten.
- Die SSE werden teilweise für viele Aufgaben eingesetzt, die nicht immer sozio-edukativer Natur sind, zum Beispiel als Beaufsichtigung bei den Toiletten.
- Es ist nicht immer klar, ob der SePAS und SSE eine getrennte oder gemeinsame Struktur bilden.
- Die Lehrer*innen wissen nicht genau, wofür die SSE (aber auch die SePAS) zuständig sind und in welchen Fällen sie diese einbeziehen können.
- Die SSE und die ESEB sind quasi ganz neu, so dass nicht immer klar ist, wer wofür verantwortlich ist.
- Es ist nicht immer klar, wo der Zuständigkeitsbereich des SSE aufhört und der SePAS/die ESEB eingeschaltet werden müssen.
- Auch die Kommunikation zwischen den SSE und dem Schulsekretariat sowie der Schulleitung muss funktionieren, insbesondere im Hinblick auf die Mitteilung getroffener Entscheidungen, damitalle am gleichen Strang ziehen.
- Es handelt sich bei diesen Befragungen nicht um eine allgemeingültige Analyse, aber es lassen sich trotzdem gewisse Punkte in mehreren Bereichen hervorheben:
- Die direkte Kommunikation innerhalb des SSE und des SePAS
- Rollenverständnis und Aufgabenfindung
- Wertschätzung und Bekanntheitsgrad des SSE innerhalb der Schule
- Kommunikation mit der Schulleitung.
Wichtig ist, diese Ansätze zu erkennen und konkret daran zu arbeiten, damit sich die Kommunikation auf allen Ebenen noch optimieren lässt. Das vorliegende Praxisheft soll bei der Umsetzung eine gewisse Hilfestellung leisten.